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Radioaktivitätsmessung im Kalten Krieg

Textfassung des Videos "Radioaktivitätsmessung im Kalten Krieg"

Eine Sirene heult. Stimme auf dem Off: "Aus einer Warndienstübung:"

Andere Stimme (verzerrt): "Achtung Alarmierungslage. Damit besteht in den genannten Gebieten ABC-Alarm." Sirene im Hintergrund

Das Bundesamt für Strahlenschutz betreibt ein Messnetz aus rund 1.700 Sonden, die über ganz Deutschland verteilt sind. Dieses Messnetz hat eine spannende Entstehungsgeschichte.

Hans-Werner Landfried, Mitarbeiter in einem Warnamt 1985-1998: "Das heutige Messnetz resultiert aus den Warnämtern. Es gab 10 Warnämter. Damit sollte flächendeckend in ganz Deutschland der Warndienst vertreten sein. Die gesetzliche Grundlage war damals das Zivilschutzgesetz. Wonach also vor den Gefahren beim Einsatz oder nach dem Einsatz von damals biologischen, chemischen und radioaktiven oder atomaren Waffen gewarnt werden sollte."

Die Warnämter hatten unterschiedliche Aufgaben. Dies reichte von der kontinuierlichen Betreuung des Radioaktivitätsmessnetzes bis zur Auslösung der Sirenen in einem Notfall.

In einem Notfall - also einer ABC-Lage - wären in den Warnämtern sehr viele Daten zusammengeflossen. Zum Beispiel Messergebnisse vom Radioaktivitätsmessnetz, aber auch Meldungen von anderen Katastrophenschutzbehörden und auch Wetterdaten. Aufgrund dieser Daten wäre die Bevölkerung dann von den Warnämtern gewarnt worden.

Hans-Werner Landfried, Mitarbeiter in einem Warnamt 1985-1998: "In einem Warnamt gab es damals die gesamte Steuertechnik zum Auslösen der Sirenen. Das war eine sehr umfangreiche und komplexe Technik, weil Digitalisierung in dem Sinne gab es damals halt nicht."

Neben der Warnung über Sirenen wäre eine Warnung auch an die zuständigen Rundfunkanstalten gegangen.

Jedes Warnamt bestand aus einem Verwaltungsgebäude und einem Bunker, von dem aus im Ernstfall gearbeitet worden wäre. Neben der Technik wurden in einem Warnamt natürlich auch geschulte Mitarbeiter*innen gebraucht.

Hans-Werner Landfried, Mitarbeiter in einem Warnamt 1985-1998: "In Personalgesamtheit waren etwa 30 hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter da.

  • Es gab den Warnamtsleiter; damals nur Männer. Es gab dann fünf Sachgebiete mit Sachgebietsleitern.
  • Da gab es dann halt auch zwei, die sich vornehmlich um die Technik gekümmert haben, nämlich einmal die gesamt Fernmeldetechnik. Egal, ob das Messnetz davon betroffen war oder alles, was mit Fernmelde zu tun hatte, bis hin zum Steuernetz zum Auslösen der Sirenen.
  • Und es gab einen großen Bereich der Maschinentechnik: damit die Klimaanlage läuft, damit die ganzen technischen Komponenten im Bunker funktionieren, damit die Heizung läuft und all diese Dinge.
  • Und natürlich die Verwaltung.

Diese Standardbesatzung wäre im Einsatzfall - auch bei Übungen - aufgestockt worden durch sogenannte Helfer. Das waren junge Menschen, die sich freiwillig für einen Zeitraum von 10 Jahren verpflichtet haben und dafür keinen Wehrdienst leisten mussten."

In einem Verteidigungsfall wäre das Personal der Warnämter schnellstmöglich zusammengezogen und in die Lage eingewiesen worden.

Hans-Werner Landfried, Mitarbeiter in einem Warnamt 1985-1998: "Und die Unterkunftsgebäude hatten auch Betten. Und da wäre erstmal das Personal dann "eingepfercht" worden. Da war der Speiseraum und hinten dran die Küche. Und dann hätte man erstmal, so lange es möglich ist natürlich, da oben in Freiheit gekocht und die Leute verpflegt.

Natürlich hätte es uns auch treffen können, dass wir uns von der Außenwelt komplett hier abriegeln. Das heißt: Bunkerverschluss. Dann hätten wir tatsächlich hier alles nur noch intern betrieben: sowohl die Frischluftzufuhr, wenn die Stromversorgung nicht mehr zu Verfügung gestanden hätte mit autarker Energieversorgung. Und dann wären wir hier komplett autark gewesen. Somit wären dann so 70 bis 100 Personen hier drin gewesen, die auch dann für einen Zeitraum von, wenn es nicht gut läuft, zwei Wochen hier hätten aushalten müssen. Und in dem Moment - haben wir Gott sei Dank nie erlebt - hätten dann auch nicht zwingend ständig Verbindung zur Außenwelt gehabt. Außer natürlich über Telefon und dergleichen mehr zu anderen Warnämtern."

Eine zentrale Aufgabe der Warnämter war der Aufbau des neuen, speziellen Radioaktivitätsmessnetzes.

Hans-Werner Landfried, Mitarbeiter in einem Warnamt 1985-1998: "Ich glaube, dass mit die erste Messstelle ist ja dann auch so halt - ja, vor 50 Jahren in Bayern entstanden. Und nach und nach sind halt viele Messstellen aufgebaut worden und man hat ein gewisses Raster gehabt, damit man also ein dichtes Messnetz hatte. Nicht in der Dichte wie heute, auch nicht so automatisiert wie heute, aber es gab es schon. Mit anderen Sonden, die wesentlich kleiner waren, als sie es heute sind, also auch von der Bauart her wesentlich kleiner, hatten natürlich nicht die Empfindlichkeit, wie das heute unsere Messsonden haben.

Damals hatten wir maximal so um die 1.200 Sonden aus meiner Erinnerung, deutschlandweit. Und diese Messstellen waren damals noch halbautomatisch abgefragt worden. Nicht wie heute. Dazu gab es in einem der oberen Räumlichkeiten eine sogenannte Zentralstation, wo händisch, per Hand über kleine codierte Telefonkarten mittels eines einzelnen Telefonhauptanschlusses - so was gab es noch - die Messsonden alle paar Tage regelmäßig abgefragt worden sind. Man hat also jede einzelne Messstelle praktisch über ein normales Telefon angewählt, um dann das Messergebnis auch hierher zu kriegen. Und man hat sich dann auf dieser kleinen, ich nenne es mal digitalen Anzeige, die Werte angeguckt. Mehr ist in der Verarbeitung dieser Messwerte damals zunächst mal gar nicht passiert.

In einem Einsatzfall, das heißt nach dem Einsatz von Nuklearwaffen, hätte man diese Messwerte auch dazu benutzt, um letztendlich Warnungen für die Bevölkerung auszusprechen."

Nach der Wende 1989/90 stand die Bundesrepublik Deutschland vor einer völlig veränderten politischen Situation und auch vor einer stark verminderten Bedrohungslage.

Hans-Werner Landfried, Mitarbeiter in einem Warnamt 1985-1998: "Es war aus der damaligen politischen Situation so, dass man auch den Zivilschutz, der wirklich auch richtig teuer war in Deutschland, der kostete richtig Geld, auch gesagt hat, wir brauchen diese Dinge ja so nicht mehr. Wir bauen das alles zurück. Es gab plötzlich keine flächendeckende Sirenenauslösung mehr und somit hat man auch die Warnämter nach und nach zurückgebaut und aufgelöst. Das Ergebnis war ja, dass man das, was wirklich noch "brauchbar" war wie dieses Radioaktivitätsmessnetz, anschließend an das Bundesamt für Strahlenschutz mit dem Personal, das dafür notwendig war, übergeben hat."

Stand: 01.01.2025